Bakterien / das Mikrobiom

Wir haben sie alle an uns und in uns, in der Menge mehr, als wir glauben oder gerne hätten: Bakterien.

Unser Dickdarm ist voll davon, und zahlenmäßig gibt es 10 bis 100 mal mehr Darmbakterien in uns, als unser Körper Zellen hat. Etwa 2% unseres Körpergewichts sind Bakterien, die wir mit uns tragen, und mit denen wir in einer für beide Seiten nützlichen Wechselbeziehung (Symbiose) leben. Der Fachbegriff dafür ist das Mikrobiom, und zu diesem Mikrobiom gehören neben den Darm- auch die Hautbakterien.

Das bedeutet aber auch, dass es deutlich (etwa 300 mal) mehr genetische Informationen in unseren "Gästen" gibt, als in unseren eigenen Körperzellen. Insgesamt beherbergt ein gesunder Organismus bis zu 10000 verschiedene Bakterienspezies. Spannend ist, dass es Krankheiten gibt, bei denen sich die Zusammensetzung der Bakterien verändert, oder auch die Menge an verschiedenen Bakterien abnimmt.

So scheint sich z. B. bei übergewichtigen Menschen die Anzahl der unterschiedlichen Bakterienstämme im Darm zu reduzieren. Auch ändert sich der Typ der Bakterien, Übergewichtige haben andere Bakterien als Untergewichtige. Unbekannt ist bisher, ob dies nun Ursache oder Folge des Übergewichts ist.

Immerhin hat man folgendes festgestellt: Entnimmt man übergewichtigen Menschen alle Bakterien des Dickdarms, und pflanzt ihnen stattdessen Darmbakterien eines schlanken Menschen ein, so führt dies ohne Änderung der Ernährung zu einer Gewichtsabnahme um mehrere Kilo. Leider hält dieser Effekt jedoch nur wenige Wochen an. Warum das so ist, wird derzeit erforscht.

Diese sogenannte Fäkaltransplantation ist allerdings noch in einem experimentellen Stadium, und keineswegs gängige Therapie. Aber vielleicht findet man hier Hinweise zur Behandlung des Übergewichts.

Auch bei bestimmten Hauterkrankungen weiß man, dass sich die Zusammensetzung der Hautbakterien hier ändert, ein Zusammenhang zwischen Hautflora und Erkrankungen ist also wahrscheinlich.

 

Bakterien schützen uns

Die überwiegende Mehrheit aller existierenden Bakterien ist für den Menschen völlig ungefährlich, man sollte sich sogar bewusst sein, dass wir ohne die Existenz von Bakterien nie hätten entstehen können, denn unsere lebende Welt ist aus den Einzellern entstanden, vor vielen Milliarden Jahren.

Nur ein ganz geringer Teil aller Bakterien, sicher unter 0,1%, kann für uns schädliche oder gesundheitliche Folgen haben, was aber keineswegs so sein muss. Und trotzdem haben wir alle, gesteuert durch irreführende Werbung und unsinnige Berichterstattung in den Medien, eine fürchterliche Angst vor diesen Lebewesen und würden diese am liebsten ausrotten.

Nun, Gott sei Dank werden wir das nicht schaffen, denn die Genetik der Bakterien ist klüger als wir, sie entwickelt Abwehrstrategien, wie zum Beispiel Resistenzen gegen Antibiotika. Die Ausrottung aller Bakterien wäre übrigens der Tod allen Lebens auf dieser Welt, denn ohne diese nützlichen Helfer ist ein Leben nicht möglich.

Mit vielen Bakterien weltweit kommen wir nie in Kontakt, weil sie z. B. in Bereichen leben, in denen wir uns nicht wohlfühlen könnten. Andere Bakterien besuchen uns nur gelegentlich, schaden uns aber nicht. Viele Bakterien, z. B. die der Darmflora und Hautflora schützen uns vor Erkrankungen und helfen uns bei unseren täglichen Aufgaben.

Die Darmflora z. B. hilft uns bei der Verdauung, die Hautflora schützt vor bestimmten Krankheiten, und die Scheidenflora der Frau schützt diese vor ernsteren Infekten der weiblichen Geschlechtsorgane.

Bakterien können auch nützlich und schädlich sein. Ein einfaches Beispiel sind die Kolibakterien. Im Darm sind sie uns von großem Nutzen, in der Blase lösen sie eine Entzündung aus, denn da gehören sie nicht hin.

 

Warum gegen Bakterien kämpfen?

Im Grunde ist dies eine unsinnige und letzlich auch erfolglose Einstellung. Wir sollten nicht gegen Bakterien kämpfen, sondern sie uns zu Nutze machen, und ihr Potential als Kampf gegen Erkrankungen einsetzen. Vesuche und Studien dazu gibt es bereits.

Genau darum ist der übermäßige Einsatz von Antibiotika genauso unsinnig wie meiner Meinung nach auch eine übertriebene Hygiene und der Versuch, mit Desinfektionslösungen möglichst viele dieser Freunde zu vernichten, zumindest im alltäglichen Einsatz. Ausnahmen gibt es zum Beispiel in kritischen Bereichen, wie Intensivstationen, weil dort Menschen teilweise mit reduzierter Abwehr sind, denen auch harmlose Bakterien gefährlich werden können.

 

Antibiotika

In allen anderen Fällen gilt meiner Meinung nach:

Antibiotika nur dann, wenn die Gesundheit ernsthaft in Gefahr ist, z. B. bei einer potentiell lebensgefährlichen Lungenentzündung. Jedoch nicht bei Bagatellinfektionen, die unser Abwehrsystem auch alleine in den Griff bekommt. So kann man z. B. eine weibliche Blasenentzündung mit Antibiotika behandeln, aber auch dadurch, dass man innerhalb einer Stunde versucht, zwei Liter Wasser oder Tee zu trinken, bis dass der Urin völlig klar ausgeschieden wird. Dann dürften auch alle Bakterien aus der Blase ausgeschieden sein, wie Studien eindeutig belegen.

Antibiotika wirken immer ungezielt, was bedeutet, dass sie im ganzen Körper Bakterien töten, und nicht nur die wenigen Krankheitserreger. Damit zerstören sie teilweise über 50% der Darm- und Hautflora, erhöhen das Risiko für neue Erkrankungen und führen unter Umständen zu Spätfolgen, die erst Jahre später auftreten können, bis hin zu Allergien und Autoimmunerkrankungen.

Völlig unsinnig ist die Antibiotikagabe übrigens bei viralen Infekten, wie der Grippe oder banalen Erkältungen. Ich werte hier eine solche Gabe als klaren Kunstfehler, denn Viren können durch Antibiotika nicht vernichtet werden. Die oft gehörte Aussage, dass es zu einer Sekundärinfektion durch Bakterien gekommen sei, ist in den meisten Fällen schwachsinnig und nicht zu belegen. Ich fordere in diesen Fällen vorab eine Blutuntersuchung zur Bestimmung von CRP oder Procalcitonin, um den bakteriellen Infekt zu belegen. Nach meiner ärztlichen Erfahrung sind dann die Werte nur in einem von 100 Fällen so, dass man von einem bakteriellen Infekt ausgehen muss. Und selbst dann kann man über den Einsatz von Antibiotika noch streiten, denn noch lange nicht jeder bakterielle Infekt (Beispiel: Sinusitis oder Mittelohrentzündung) erfordert zwingend Antibiotika. Hier zeigen Studien eine gute Heilungschance auch ohne Antibiotika.

 

Desinfektionsmittel

Desinfektionslösungen haben im normalen Haushalt nichts zu suchen. Reinigungsmittel, die per Werbung versprechen, über 95% oder gar 99% aller Bakterien zu töten, sollten Sie unbedingt meiden. Fragen Sie sich einmal, warum Ärzte solche Mittel nicht benutzen, obwohl die Werbung manchmal Gegenteiliges behauptet. Gemäß der obigen Erläuterungen ist es absolut unnötig, Bakterien im Haushalt zu verringern oder gar zu töten. Zum einen verdoppelt sich die Anzahl der Bakterien (sofern Platz vorhanden) alle 20 Minuten, zum anderen werden überwiegend die harmlosen Bakterien getötet, während die gefährlichen überleben und dann Platz haben, um sich grenzenlos zu vermehren.

Wenn dann eine Werbung von verseuchter Klobrille spricht, sollte man einmal darüber nachdenken, wo denn im Haushalt die meisten Bakterien zu finden sind. Dazu gibt es Untersuchungen, die zu folgendem Ergebnis kommen: In einem gut geführten Haushalt mit normaler regelmäßiger Reinigung ist die Klobrille unkritisch. Die meisten Bakterien finden sich im Spühltuch, in der Computertastatur (versuchen Sie mal, diese zu desinfizieren) und auf den Türklinken.

In meinem Haushalt gibt es keine Desinfektionslösungen. Denn die regelmäßige übliche Reinigung mit normalen Spül- oder Reinigungsmitteln ist völlig ausreichend.

 

Sex verlängert das Leben

Und wenn ich dann lese, dass in manchen Betrieben aus hygienischen Gründen schon empfohlen wird, auf das Händeschütteln zur Begrüßung oder Verabschiedung zu verzichten, um Infektionen zu vermeiden, kann ich nur den Kopf schütteln und feststellen, welche Blüten unsere moderne Gesellschaft mit all ihren Berichten und Fehlinformationen inzwischen hervorruft. Der nächste Schritt wäre dann logischerweise, auf Sex zu verzichten, weil bei dem intensiven Körper- und Genitalkontakt natürlich Milliarden von Bakterien ausgetauscht werden.

Sterben wir deswegen eher? Nein, denn nach Studien verlängert regelmäßiger Sex das Leben. Komisch, oder?

 

Warum ist das so?

Wir wissen heute, das menschliche Zellen und Bakterien Gene austauschen können. Dieser genetische Austausch scheint aber unser Immunsystem anzuregen und zu beflügeln. Das wäre z. B. eine Erklärung dafür, warum Sex das Leben verlängert. Es gibt aber auch Hinweise, dass Menschen, die nur selten mit Antibiotika behandelt werden, insgesamt auch seltener krank werden. Und eine Studie hat klar dargelegt, dass Kinder, die auf einem Bauernhof leben und täglichen Kontakt zu Kuhmist (mit Milliarden von Bakterien) haben, deutlich seltener Allergien und Autoimmunerkrankungen bekommen.